Ich mag Giersch (Aegopodium podagraria). Aktuell vor allem als Gemüse oder Salat, aber er ist nicht nur lecker und gesund, sondern auch schön, nützlich und ein hervorragender Lehrer.
Das diese Freundschaft aus der Not gewachsen ist – in meinem lang ersehnten Garten gibt es wirklich viel Giersch – tut ihr dabei keinen Abbruch. Auch bei Pflanzen ist es nicht immer Liebe auf den ersten Blick.
Botanisch
Dass der Giersch der Familie der Apiaceae (Doldenblütler) angehört, ist an seinen Blütenständen leicht zu erkennen. Somit ist er eng verwandt mit vielen unserer Küchenkräuter, wie Petersilie, Dill, Kerbel und Anis, um hier nur einige zu nennen.
Die meist doppelt dreizähligen Blätter, die an Ziegenfüße erinnern sollen, haben ihm den Gattungsnamen Aegopodium (griech. aix, aigos = Ziege; podion = Füßchen) eingebracht, was sich in der ebenfalls gebräuchlichen Bezeichnung Geißfuß wiederfindet. Der Artname podagraria lässt sich mit „die Gicht heilend“ (lat. podagara = Fußgicht) übersetzen und verweist auf das frühere Hauptanwendungsgebiet.
Charakteristisch sind außerdem der dreikantige Stängel und seine langen unterirdischen Ausläufer, mit denen er sich schnell und effektiv verbreitet.
In der Küche
Zum Glück hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Giersch ein großartiges Wildgemüse ist und sich in der Küche vielfältig verwenden lässt. Entsprechend zahlreich sind die Rezeptvorschläge im Netz. Roh schmeckt er in Salaten, Aufstrichen, Kräuterquarks und vielem mehr. Dabei sollten vor allem die ganz jungen, kaum entfalteten Blätter geerntet werden, die zart und angenehm würzig schmecken. Ältere Blätter sind zäher und etwas herber, können aber sehr gut gekocht oder gedünstet werden. Allerdings sollte man die Stiele vor der Zubereitung entfernen, sie sind sehr fasrig und durch den hohen Anteil an Kumarin oft bitter.
Die Blüten sind ebenfalls essbar, genauso wie der frische oder getrocknete Samen. Giersch enthält viel Vitamin C und wertvolle Mineralstoffe, was ihn – wenn man so möchte – zu einem heimischen „Superfood“ macht.
Im Garten
… will ihn natürlich niemand haben. Aber oft ist er halt trotzdem da und es gilt, ein Auskommen mit ihm zu finden. Denn ausrotten lässt er sich definitiv nicht. Vielmehr lehrt er die Gärtnerin, dass auch sie nur ein Teil des Gartens ist und nicht dessen alleinige Herrscherin. Wer möchte, kann hier durchaus eine Lektion in Demut empfangen, zumindest aber in Akzeptanz dessen, was sich nicht ändern lässt.
Das oft vernommene Fluchen und Klagen scheint mir allerdings sehr übertrieben, denn hilflos ausgeliefert ist man dem wuchernden Kraut nicht. Wer sich die Arbeit machen möchte, kann durch sorgfältiges Entfernen aller Wurzelteile durchaus gierschfreie Flächen schaffen. Das ist mühsam und langwierig und eine gute Gelegenheit, über seine Beziehung zu dieser Pflanze zu sinnieren. Dass die Wurzeln keinesfalls auf den Kompost dürfen, versteht sich von selbst.
Einfacher ist es, dem Giersch Konkurrenz zu verschaffen. Geeignet sind stark wachsende Stauden, ebenso wie immergrüne (Nadel-) Gehölze, sofern man die im Garten mag. Auch Kartoffeln oder Buschbohnen sollen ihm angeblich gewachsen sein. Bei einer geschlossenen Pflanzendecke hat der Geißfuß kaum eine Chance, und mal ehrlich- ist das ein oder andere Blatt davon im Staudenbeet wirklich so schlimm?
Auch regelmäßiges Ernten oder Mähen schwächt die Pflanzen auf Dauer und dämmt so ihren Ausbreitungsdrang ein. Im vergangenen Sommer war ich dankbar für das entstehende Mulchmaterial, das mein Gemüsebeet wenigstens etwas vor der Trockenheit schützte.
Allen Tollkühnen, die sich Giersch wirklich in den Garten holen möchten, sei die weißbunte Varietät empfohlen. Man bekommt sie in den meisten Kräutergärtnereien und sie ist deutlich weniger wüchsig als ihr grüner Verwandter.
„Unkraut ist die Opposition der Natur gegen die Regierung der Gärtner.“ – Oskar Kokoschka
Unschwer zu erkennen, dass die Beziehung zum Giersch stetige Pflege in Form von Aufmerksamkeit und Zuwendung fordert. Aber wie bei jeder guten Freundschaft ist es ein Geben und Nehmen. Und eine Einladung an die Gärtnerin, dabei zu wachsen und zu reifen.
Bild Gierschblüte mit freundlicher Genehmigung von Celia Nentwig | Kräuter-Sinn
Den Meister gibt es natürlich auch als Shirtmotiv.